Ein Traum für Stalker…

Wir posten, teilen, schreiben. Tagtäglich. Privates wird öffentlich gemacht. Anonymität wird zum Fremdwort. Dort draußen – in der Welt des Internets. Jene Welt, welche die meisten von uns in Form ihres Smartphones in der Hosentasche haben.

Auch ich gehöre wohl zu denen, die manch ältere Generation als Junkies bezeichnet. Abhängige, die einfach nicht von ihren elektronischen Geräten lassen können. Es ist für viele das Sinnbild schlechthin der vorherrschenden, gestörten Kommunikation. Obwohl eine Kommunikation ja zweifelsfrei stattfindet. Nicht umsonst heißt es „Soziale Medien“. Nur fehlt eben der direkte Augenkontakt. Gefühle werden durch Smileys ausgedrückt, oft fehlt einfach die Echtheit. Und doch wird so viel geschrieben, gepostet, genapt wie nie zuvor. Aber dass wir anderen dadurch auch eine Angriffsfläche bieten, ist den wenigsten bewusst.

Das neuste Update von der beliebten App Snapchat, über die man zeitlich begrenzt Fotos und Videos an Freunde schicken kann, finde ich persönlich ziemlich beunruhigend. Die Neuheit, die sogenannte „Snap Map“ zeigt deinen Standort all deinen Freunden an. Beim Öffnen der App wird der Standort aktualisiert. Natürlich gibt es auch eine Möglichkeit das Ganze zu umgehen, allerdings stelle ich mit Erschrecken in meinem eigenen Umfeld fest, dass die wenigsten sich scheinbar über die Tragweite der neuen Funktion Gedanken machen und die Funktion blind hinnehmen.

Ich frage mich, wer denn wirklich will, dass jeder weiß, wo man sich gerade aufhält. Und das zu jedem Zeitpunkt. Die Karte zeigt nicht nur das Land oder die Stadt an. Nein, der Standort ist so genau, dass es möglich ist die genaue Adresse mitsamt der Hausnummer ausfindig zu machen. Die ideale Möglichkeit für Stalker.

Anstatt geschockt zu sein, sind allerdings alle hellauf begeistert. Irgendwie freue ich mich jetzt schon darauf zu sehen, wie die euphorisierten Nutzer reagieren werden, wenn sie bemerken, dass Ausreden nicht mehr ziehen. Man kann schließlich nicht sagen, dass man gerade schwer beschäftigt zuhause an einem Vortrag sitzt, wenn Snapchat doch anzeigt, dass man gerade in der Stadt unterwegs ist. Genauso verhält es sich mit zufälligen Begegnungen. Ob zukünftige Begegnungen wirklich zufällig sind, kann man nicht mehr mit Gewissheit sagen, wo es doch ein Leichtes ist eine Begegnung zu provozieren, wo man ja ganz genau weiß wo der andere sich gerade aufhält.

Also für mich ist ganz klar, dass diese neue Funktion mir gestohlen bleiben kann. Wer wissen will wo ich bin, der soll (ganz altmodisch) einfach fragen. Und dann liegt es immer noch allein bei mir meinen Aufenthaltsort zu verraten – oder eben auch nicht.

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Beobachtet…

Unsichtbare Augen verfolgen einen und man ist unsicher. Diese Unsicherheit führt dazu, dass man sich verstellt. Gänzlich. Diese Augen verändern einen. Lassen einen zu einer Marionette werden und ziehen an den Fäden. Erst wenn die Augen verschwunden sind, kann man sich von den Fäden befreien und wieder man selbst sein.

Ich singe im Chor. Im Moment proben wir wöchentlich für ein neues Projekt und müssen dafür neue Melodien und Texte üben. Letzte Woche hat uns die Probe lang ein Kamerateam begleitet. Das Team hat während der Probe still gefilmt und nebenbei ein paar Fotos geschossen. Mir ist aufgefallen, dass sich alle in Anwesenheit der Kameras total verändert haben. Die Mädchen legten wert darauf immer nur ihre Schokoladenseite in die Kamera zu halten und alle waren viel unruhiger als sonst. Jederzeit wollte man wissen, wo die Kameras sind und ob sie auf einen gerichtet sind. Viele haben sich künstlich verhalten, obwohl ja bekannt ist, dass die besten Aufnahmen wohl Momentaufnahmen sind. Frei von Schauspielerei oder Positionierung. Aber in „echten“ Momenten kann man ja hässlich aussehen.
Früher auf Geburtstagspartys war es „cool“, wenn man seine Hand vor das Gesicht gehalten hat, als die Eltern Fotos machen wollten. Die Fotos wären sonst ja peinlich. Und jetzt in den Zeiten von Facebook, Instagram und Co, muss man bei jedem Foto aufpassen. Jedes Foto kann im Internet landen, daher muss man vorher schauen, ob es auch schön ist. Oder besser gesagt, ob man selbst schön ist. Die anderen sind da eher unwichtig. Wenn man mit einem Foto unzufrieden ist, dann wird augenblicklich darauf bestanden, dass das Foto sofort und auf der Stelle gelöscht wird. Und wenn man mal nicht nachsieht, dann findet man einige Tage später auf Facebook unangenehme Fotos von sich. Oder sagen wir Fotos, die nicht unsere Vorzüge zeigen. Die halt einfach echt sind. Unbearbeitet. Unverfälscht. Jeder will sich irgendwo von seiner positiven Seite zeigen. Das verstehe ich. Ich selbst bin da nicht anders. Aber ich kenne so viele Leute, die Stunden damit verbringen ihre Bilder zu bearbeiten. Damit die Nase schmaler ist und die Lippen voller. Zufälligerweise sind dann auch die Augenringe gänzlich verschwunden. Aber ich frage mich, was das bringt. Diejenigen, die einen kennen, kennen einen doch auch in echt. Wissen, wie man aussieht. Deswegen erkennen diejenigen diese Schummelei doch auch sofort. Aber trotz alledem bearbeite ich Fotos auch gerne mit Filtern und suche für meine Fotos immer nach gutem Licht, damit die Augenringe wegschummelt werden. Denn wer kann der Chance widerstehen, sich nicht besser zu präsentieren, als er eigentlich ist?