Als Kind sieht man die Welt ja eh immer durch ganz andere Augen. Viele Dinge, die für die Erwachsenen zum Alltag gehören, sind als Kind super spannend und total toll. Ich erinnere mich daran, dass ich beispielsweise immer die Geschirrspülmaschine ausräumen wollte. Heute drücke ich mich davor eher. Generell hat man früher als Kind nicht verstanden, warum Geld von so großer Bedeutung ist. Man kann sich damit Süßigkeiten kaufen, aber warum nicht einfach alle sich alles teilen, war mir als Kind überhaupt nicht klar. Ebenso habe ich nicht verstanden, warum ich mich nicht ausschließlich von Schokolade ernähren kann. Obst und Gemüse? Bäh. Als Kind hatte ich auch die ausgefallensten Wünsche. Nachdem ich mir eine ganze Zeit einen Affen und ein Pferd gewünscht habe, wollte ich unbedingt eine Seilbahn haben. Und, warum auch immer, fand ich Taschenmesser total aufregend. Wahrscheinlich nur, weil Mama es verboten hat. Generell war es immer so, dass alles toll war, was verboten wurde. Cola beispielsweise war so etwas. Ich durfte es nie trinken und fand es immer total aufregend einmal die Zunge reinzuhalten. Ich bildete mir ein, dass es das leckerste Getränk überhaupt wäre. Mittlerweile darf ich natürlich so viel Cola trinken wie ich möchte. Mache ich es? Nö. Es schmeckt mir nämlich nicht. Genauso ist es mit Fernsehen. Wie oft habe ich geträumt ein paar Jahre älter zu sein, einfach um eine eigene Fernbedienung zu haben und so oft fernzusehen, wie ich möchte. Das wäre natürlich rund um sie Uhr. Jetzt bin ich in diesem Alter und habe einen eigenen Fernseher, den ich vor ein paar Tagen meiner Schwester gegeben habe, weil ich selbst kein Fernsehen mehr seit Monaten geschaut habe. Es ist schon lustig, wie aufregend und toll sich Kinder die Welt als Teenager/Erwachsener vorstellen. Und letztendlich wünscht man sich, wenn man dann älter ist, einfach nochmal Kind zu sein. Um die Welt durch einen Schleier der Unschuld und Harmonie zu sehen.
Kategorie: Alltagsgeschichten
Das Streben nach Bestätigung…
Sie ist für uns wichtig. Es ist für uns wie eine Droge nach der wir süchtig sind, von der wir abhängig sind. Wir brauchen sie. Bestätigung. Die Art und der Umfang sind bei jedem Menschen verschieden. Einigen reicht es, wenn sie manchmal von jemanden hören, dass sie etwas gut gemacht haben. Andere brauchen tagtäglich diese Bestätigung. Wenn sie diese nicht bekommen, dann plagen sie Selbstzweifel. Ich selbst merke auch, dass ich in manchen Sachen Bestätigung brauche. Oftmals tritt dieses Streben nach Bestätigung auf, wenn ich unsicher bin. Wenn ich zum Beispiel eine Entscheidung getroffen habe, bei der ich mir noch nicht genau sicher bin, ob sie richtig war, denn sehne ich mich danach von jemanden ebendieses zu hören. Aber es ist natürlich auch nicht ganz unwichtig, wer mich in meiner Sache bestätigt. Es müssen Leute sein, denen ich vertraue. Entweder weil sie mir Nahe stehen, oder weil sie sich in dem jeweiligen Bereich besonders gut auskennen. Deren Urteil kann ich dann für mich als vertrauenswürdig einstufen. Vor einem halben Jahr habe ich an einem schulinternen Schreibwettbewerb teilgenommen und habe jetzt erfahren, dass ich ebenjenen gewonnen habe. Natürlich war ich stolz, aber vor allem habe ich mich in meiner Sache bestätigt gefühlt. Da die Deutschlehrer und Deutschlehrerinnen meiner Schule diesen Wettbewerb geleitet haben und ich aus ihrem Beruf resultiere, dass sie etwas vom Schreiben verstehen, kann ich deren Urteil über meine Geschichte vertrauen. Im Vornerein habe ich meine Geschichte meiner Familie zu lesen gegeben, die die Geschichte für gut befunden hat. Allerdings muss ich sagen, dass mir die Beurteilung seitens der Deutschlehrer noch ein wenig mehr Bestätigung gegeben hat. Einfach, weil sie davon mehr Ahnung haben. So gesehen ist ihr Urteil qualitativ hochwertiger. Zusammengefasst kann man sagen, dass jeder Mensch Bestätigung braucht. Aber wenn man sich immer nur auf die Bestätigung Anderer verlässt und sich davon gar abhängig macht, dann riskiert man nichts. Und wenn man nichts riskiert, dann kann man auch nichts Neues schaffen. Wie heißt es so schön: NO RISK, NO FUN. Genauso ist es doch. Ob Mediziner, Forscher oder Politiker. Ob Mann, Frau oder Kind. Ohne Risiko kann man nichts gewinnen. Und man kann sich nicht alles bestätigen lassen. Nichts im Leben ist risikofrei. Keine Entscheidung, keine Handlung. Aber genau das macht das Leben doch so unvorhersehbar, so spannend.
Die Anstandsnudel…
Gemeinsam mit meiner Schwester und meiner Mutter saß ich heute beim Mittagessen. Während ich noch mit meinen Fussili beschäftig war, ist der Teller meiner Schwester schon längst leer gegessen. Fast zumindest. Lediglich eine Nudel lag einsam am Tellerrand.
Ich (zu meiner Schwester): Was hat die Nudel dir denn getan?
Während meine Schwester daraufhin die Nudel nehmen möchte, sagt meine Mutter (ich betone, dass sie nicht angesprochen war): Das ist die Anstandsnudel.
Meine Schwester lässt die Nudel mit großen Augen wieder zurück auf den Teller fallen.
Ich fand die Bezeichnung so lustig, dass ich mich verpflichtet fühle sie zu erwähnen. Nachdem wir aufgehört hatten zu lachen, fragten wir uns, warum man früher immer etwas aus Anstand übrig gelassen hatte. Einen kleinen Rest am Tellerrand. Soweit ich weiß, macht man das heute nicht mehr. Wir hatten eine Theorie. Man lässt etwas übrig, damit dem Koch symbolisiert wird, dass das Essen lecker war, aber man satt ist.
Eine schöne Geste, aber ich esse, wenn es mir schmeckt, immer alles auf. Außer ich bin vorher schon total satt.
Ich bin sehr gut erzogen worden. Meine Mutter hat immer darauf geachtet, dass ich zu anderen höflich bin und mich angemessen benehme. Allerdings ist mir in letzter Zeit aufgefallen, dass viele Jugendliche scheinbar keine Erziehung genossen haben. Einige verhalten sich so respektlos ohne jeglichen Anstand, dass ich mich frage, warum die Eltern nicht die Notwendigkeit einer Erziehung gesehen haben.
In der Schule werden Lehrer beispielsweise manchmal äußerst respektlos behandelt. Nicht alle, nur diejenigen, die angreifbar wirken. Sie werden von den Schülern mit Vornamen angeredet und lassen sich auf der Nase herumtanzen.
Genauso verhält es sich „bitte“ und „danke“. Zwei kleine Wörter, die man aus Höflichkeit dem anderen entgegenbringt. Heutzutage sind sie eine Seltenheit geworden. Obwohl es keine Kraft kostet die Wörter auszusprechen. Allgemein kosten Höflichkeit und Anstand nichts. Man präsentiert sich mit ihnen lediglich besser. Und andere haben im Allgemeinen einen besseren Eindruck von einem. Also warum wird in der heutigen Gesellschaft darauf so wenig Wert gelegt? Und damit meine ich nicht nur bei besonderen Anlässen, wie beispielsweise bei einem Bewerbungsgespräch. Nein, im alltäglichen Umgang. Ein gutes Benehmen und Anstand sind so einfach und doch scheinbar so weit weg.
Unfall vor Weihnachten…
Täglich passieren Unfälle und man liest davon in der Zeitung oder hört es im Radio. Und doch trübt es meine Stimmung besonders, wenn ich von solchen in der Vorweihnachtszeit lese. Bei jedem vorbeifahrenden Feuerwehrwagen mit lauter Sirene kommt mir der Gedanke an eine weitere traurige Familie, die Weihachten wohl im Krankenhaus verbringen wird. Vielleicht kommt es daher, dass eine Frau, die ich kenne, einen Unfall hatte.
Ich habe mit der Frau nicht oft gesprochen, habe keine besondere Beziehung zu ihr und doch ist es mir total nahe gegangen, als ich davon gehört habe. Zudem wird sie wohl bleibende Schäden davontragen und daran musste ich ständig denken. An diese Auswirkungen des Unfalls, der nicht länger als ein paar Sekunden gedauert haben mag.
Vielleicht hat es mich auch so getroffen, weil ich daran erinnert wurde, wie schnell etwas schief gehen kann. Wie schnell sich das ganze Leben verändern kann. Von der einen Sekunde auf die andere. Ich habe mir auch vorgestellt, wie diese Frau nach der Notoperation aufgewacht ist und genau das realisiert hat. Dass ihr Leben von heute auf morgen komplett anders ist. Dass sie ab jetzt stark eingeschränkt ist und immer wieder mit Niederschlägen rechnen muss.
Bei diesem Gedanken empfinde ich tiefstes Mitgefühl und Trauer. Und es betrifft nicht nur diese eine Frau, sondern die ganze Familie. Eine weitere Familie, die Weihnachten im Krankenhaus verbringen wird.
Und mich hat noch etwas ungemein erschüttert. Die Presse. Schon nach kurzer Zeit wurde der Name dieser Frau vollständig veröffentlicht, sowie viele persönliche Informationen. So etwas finde ich dreist und respektlos dieser Person gegenüber. Man kann Namen auch ändern oder lediglich die Initialen angeben. Das ändert nichts an dem Ereignis an sich.
Ich bin mir darüber bewusst, dass auf der Welt täglich, stündlich viele Menschen sterben oder verletzt werden. Und doch geht es einem besonders nahe, wenn so etwas im eigenen Umfeld passiert. Denn erst dann wird es persönlich und geht einen unmittelbar etwas an. Dann setzt man sich damit besonders und auf eine andere Art und Weise auseinander. Man denkt mehr darüber nach, weil man damit mehr, als ein Außenstehender, verbindet. Weil man den betreffenden Menschen kennt und an ihn speziell denkt. Das macht das Mitgefühl, die Trauer, die Gedanken einfach intensiver und persönlicher.
Obwohl ich weiß, dass dieser Unfall kein Einzelfall ist, verspüre ich unmittelbar danach irgendwo in mir Angst. Angst davor, dass es mich oder einen aus meinem näheren Umfeld treffen könnte. Irgendwie wirkt der Unfall, dadurch, dass ich die Frau kenne, realer. Und ich habe Angst vor dieser Realität. Wenn ich ehrlich bin, dann trifft es mich nicht mehr so stark, wenn ich täglich von Unfälle in der ganzen Welt höre. Natürlich bin ich entsetzt und bestürzt, aber meistens ist es eine Stunde später wieder vergessen. Ich bin irgendwie abgehärtet, weil diese Berichte zum Alltag dazuzugehören scheinen. Leider. Und diese Erkenntnis macht mich wiederum traurig, weil so etwas nicht zur Normalität gehören sollte. Nicht so etwas Schreckliches.
Angst vor Menschen…
Heute Mittag, als ich aus der Schule kam, telefonierte ich mit meiner Mutter. An sich wollte ich nur kurz sagen, dass ich nachhause komme, allerdings wurde daraus ein längeres Gespräche als erwartet.
Meine Mutter hatte gerade eine Situation erlebt, die sie unbedingt mit mir teilen wollte. Sie war, wie so oft, einkaufen gegangen und wurde Teil einer ungewöhnlichen Situation. Vor dem Supermarkt standen wohl mehrere Polizisten, die sich bemühten einen kleinen, weißen Hund einzufangen. Aber es gelang ihnen offensichtlich nicht. Der Hund war scheinbar verschreckt und hatte Angst vor den Polizisten. Diese hatten auch keine Leckerlis oder etwas anderes zu fressen dabei. Sie konnten schließlich nicht ahnen, dass sie einen Hund einfangen müssten. Da kam meine Mutter ins Spiel. Ihr tat der Hund total leid, allerdings hatte sie auch nichts, für den Hund fressbares, dabei. Sie beobachtete die ganze Zeit, wie die Polizisten den Hund umkreisten und versuchten ihn so einzufangen. Doch im letzten Moment entwischte er immer wieder flink. Getrieben von der Angst vor den wildfremden Menschen. Irgendwann konnte meine (Tiere über alles liebende) Mutter nicht mehr dieses verängstigte Tier mit ansehen. Also ging meine Mutter auf ihn zu, kniete sich zu ihm hin und ließ ihn erst einmal an ihrer Hand schnuppern. Dann streichelte sie ihn ausgiebig. Die Polizisten waren sichtlich überrascht und erst einmal lediglich baff. Sie faselten wohl, dass der Hund Frauen bevorzugt. Als der Hund sich etwas beruhigt hatte, konnten auch sie auf ihn zugehen, ohne dass er wieder weglief und ihn mitnehmen.
Doch als meine Mutter mir diese Geschichte erzählte, machte sie sich Gedanken darüber, woher der Hund kam. Auf sie wirkte er nicht wie ein Entlaufender, mehr wie ein Ausgesetzter. So verängstigt, wie er war. Und ich finde diese Vorstellung so grausam. Ich kann mir nicht vorstellen, wer so ein Unmensch sein kann und sein Tier auf die Straße setzt. Noch dazu bei dieser Eiseskälte. Wozu gibt es Tierheime? Aber ein Tier alleine zu lassen, hilflos in dieser Welt voller Fremder, das ist unmenschlich. Für mich. Und doch machen es während der Weihnachtszeit so viele Menschen. Zu viele. An sich sollte das keiner machen. Es ergibt für mich keinen Sinn. Es gibt extra spezielle Einrichtungen (Tierheime), die sich um die heimlosen Tiere kümmern, warum also setzt man das Tier auf die Straße? Die Fahrt zum Tierheim sollte man wohl noch schaffen. Natürlich sind das alles nur Vermutungen, Spekulationen, aber Fakt ist, dass viel zu viele Tiere auf der Straße ausgesetzt werden. Alleine. Und das macht mich total traurig und für diese Menschen, die genau das tun, schäme ich mich irgendwie fremd. Total. Beim Schreiben habe ich die ganze Zeit unbewusst den Kopf geschüttelt.
Umkleidekabinen…
Heute war ich shoppen. Natürlich ist es schön sich neue Sachen zuzulegen, jedoch hat das Einkaufen meistens auch seine negatives Sachen an sich.
Ich bin heute in die Läden gegangen und war erstaunt, dass die Menge an Menschen kein Übermaß darstellte. An sich boten die unzähligen Regale und Kleiderstangen einen hübschen Anblick. Als ich den(zugegebenermaßen schweren und langwierigen) Part des Entscheidens hinter mich gebracht hatte, begab ich mich mit den auserkorenen Teilen zu den Umkleiden. Ich war wirklich froh, als ich dort einen Hocker erblickte, denn ich wollte meine Tasche keinesfalls auf dem staubigen Boden abstellen. Ich frage mich wirklich, warum so viele Markenketten keine Ablagemöglichkeiten in den Umkleidekabinen haben. Aber zum Glück war in diesem Fall ja eine vorhanden. Über eine Sache ärgere ich mich aber immer in Umkleidekabinen. Speziell in der einen, in der ich heute war. Aus Nettigkeit nenne ich mal eine Marke.
Das Licht in der Umkleide war so grell und weiß, dass man alles sah. Und damit meine ich wirklich alles. Man sah jede kleine Hautunebenheit, jedes Augenbrauenhaar, welches man beim letzten Zupfen wohl übersehen hatte und die einzelnen Risse in den trockenen Lippen.
Kurzum: Man sah jeden Makel. Die Kleidungsstücke sahen hingegen meiner Erwartungen auch eher schlechter aus, als im normalen Ladenlicht.
Früher habe ich mich immer über die halbdunklen Umkleidekabinen beschwert. Aber die haben alles Unschöne unsichtbar gemacht. Und im wahrsten Sinne des Wortes nur die Vorzüge ins Licht gerückt. Nachteilig war allerdings, dass die Farben der Klamotten in solchen Umkleidekabinen nicht immer ersichtlich waren. Es kam schon das ein oder andere Mal vor, dass eine Farbe knalliger ausgefallen ist, als ich mir das ausgemalt hatte. Also ich denke, dass schöne Umkleidekabinen auf jeden Fall das Kaufverhalten des Kunden steuern. Meines auf jeden Fall.
Als ich dann aus dieser Umkleidekabine draußen war und den Teil hinter mich gebracht hatte, indem man die nicht gewünschten Klamotten weggibt, sah ich die Schlange, die sich vor der Kasse gebildet hatte. So viele Kunden, die bereit waren zu zahlen, aber nur eine einzige Verkäuferin. Diese rief über ein Mikrofon immer wieder Verstärkung, aber ihre Kolleginnen waren wohl noch in der Mittagspause. Vor mir hielt eine Frau alle auf, weil sie etwas zurückgeben wollte, was schon längst veraltet war. Naja. Endlich am Tresen angekommen bezahlte dann meine Mutter. Wenigstens kein schlechtes Ende.
Alles wissen wollen…
Wissen. Die wohl größte Waffe überhaupt. Mit ihr kann man Macht haben. Viel Macht. Dementsprechend verspüren wir eine gewisse Gier danach. Auch in unpassenden Momenten.
Ich würde mich zu den Menschen zählen, die immer gerne alles wissen. Man könnte mich als wissbegierig bezeichnen. Negativ ausgedrückt auch als neugierig. Manchmal verspüre ich diese Gier aber auch nicht. In manchen Unterrichtsstunden beispielsweise, aber das ist ein anderes Thema.
Vor ein paar Tagen wurde meine Fensterscheibe in blaues Licht gehüllt und die bekannte Polizeisirene ertönte. Sehr laut. Sie verschwand nicht immer leiser werdend wie gewohnt, sondern die Lautstärke blieb konstant. Ich wusste, dass etwas passiert sein musste. In dem Moment packte mich meine Gier nach Wissen. Ich schaute aus dem Fenster und sah die Ursache der Sirene. Vor einem gelb blinkendem Bus lag eine dunkle Gestalt. Herum standen Menschen mit Warnwesten und Polizisten. Ich konnte nur wenig erkennen, weil mir eine Masse von Menschen die Sicht versperrte. Passanten. Neugierige Passanten. Aber anstatt zu helfen, schauten sie nur. Bildeten einen einheitlichen Kreis und befriedigten ihre Gier nach Wissen mit dem bloßen Schauen auf einen scheinbar verletzten Menschen.
In dem Moment, fand ich das abstoßend. Warum bleibt man da stehen? Helfen oder weitergehen, aber nicht bloß gaffen. Aber dann stellte ich noch etwas fest. Ich gehörte quasi zu ihnen. Ich selbst drückte mir schließlich die Nase an der Fensterscheibe platt, um ja ganz genau sehen zu können, was passiert war.
Ich hielt kurz inne und löste mich dann von der Scheibe. So wollte ich nicht sein. Und irgendwie fehlte mir in dem Moment das Verständnis für mein Handeln. Wenn man etwas wissen möchte, was einem hilft, dann ist das legitim und verständlich. Aber warum möchte man banales, etwas, was nichts mir einem zu tun hat wissen? Warum will ich so etwas wissen? Es interessiert einen. Pure Neugierde. Am schlimmsten ist es noch, wenn dann die Handys gezückt werden. Man will ja alles festhalten. Alles, was anders, außergewöhnlich ist, bringt schließlich Klicks. Und bei Klicks darf man auch mal die eigenen Moralvorstellungen vergessen. Wenn man denn dann welche hat. Traurig.
Ab dem Zeitprunkt habe ich bewusst darauf geachtet, nicht allzu neugierig zu sein, wenn ein Unfall passiert. Neugierde und das Leid Anderer passen einfach nicht zusammen. Für mich zumindest nicht.
Berührende Geschichte…
Heute bin ich mit der Bahn in die Stadt gefahren. Auf dem Rückweg habe ich eine Situation mitbekommen, die mich total berührt hat. In der Bahn war es mittelmäßig voll, allerdings eher leise. Alle spielten auf ihren Handys herum oder starrten einfach nur in die Luft. Einige unterhielten sich mit gedämpften Stimmen. Es waren nur noch wenige Stationen bis nach Hause und ich malte mir in Gedanken mein fertiges Knusperhäuschen aus, welches ich heute noch verzieren wollte. Bei der nächsten Station stieg wieder eine Handvoll Menschen ein. Einer davon zog die Aufmerksamkeit auf sich. Mit einer von Alkohol und Zigaretten geprägten Stimme wünschte er allen Menschen in dem Wagon einen guten Abend und fing an zu erzählen. Da er durch den ganzen Wagon ging und sich mir somit immer weiter entfernte, verstand ich nur wenig. Ich hört lediglich Schulden, nicht selbst verschuldet und Obdachlosigkeit heraus. Da der Mann ziemlich laut war, konnte ich ihn zunächst nicht einschätzen. Ich hatte schon einige Situationen mit Bettlern in der Bahn erlebt, die mir negativ im Gedächtnis geblieben sind. Ich war eingeschüchtert. Den anderen Leuten ging es anscheinend ähnlich wie mir, sie hatten ein ebenso mulmiges Gefühl. Ich hörte eine Frau „komischer Typ“ sagen. Viele, so auch ich, versuchten dem Mann keine Beachtung zu schenken. Viele Bettler sind mir als aggressiv und leicht zu provozieren in Erinnerung geblieben. Und ich wusste ja nicht, inwiefern diese Eigenschaften auf den Mann zutreffen. Also senkte ich meinen Blick und starrte auf mein Handy. Als der Mann fertig mit seiner Geschichte war, kam er wieder in meine Richtung und hielt einen Plastikbecher in der schmutzigen Hand. Einige Menschen holten ein paar Münzen heraus. Der Mann tat überrascht und nahm schwankend und erfreut das Geld an. Dann erblickte er einen kleinen Jungen. Dieser Junge streckte seinen Arm aus. Zwischen seinen Fingern befand sich ebenfalls eine Münze. Der Mann schien gerührt. Aber er wollte das Geld nicht annehmen. Er sagte, dass er kein Geld von Kindern annehmen möchte. Er meinte, dass er dem Jungen nicht das Taschengeld wegnehmen möchte. Das sei seiner Meinung nach nicht fair. Der Junge sagte gar nichts. Diese Situation bekamen viele Menschen mit und die Blicke der Menschen hoben sich. Meiner auch. Alle betrachteten diesen Mann, der ein äußerliches Wrack war. Schmutzig war er und er trug Lumpen an dem Körper. Aber in diesem Moment erkannten alle das Herz und die Seele dieses Mannes. Ich war total beeindruckt und wenn ich ehrlich bin auch überrascht. Dieser Mann hat das Geld, was er so dringend braucht, nicht angenommen, weil es ihm nicht richtig erschien.
Als der Mann bei der nächsten Station ausstieg, ließ er einen Wagon voller emotional berührter Menschen zurück. Die meisten von ihnen hatten ein Lächeln auf den Lippen. So auch ich.
Beobachtet…
Unsichtbare Augen verfolgen einen und man ist unsicher. Diese Unsicherheit führt dazu, dass man sich verstellt. Gänzlich. Diese Augen verändern einen. Lassen einen zu einer Marionette werden und ziehen an den Fäden. Erst wenn die Augen verschwunden sind, kann man sich von den Fäden befreien und wieder man selbst sein.
Ich singe im Chor. Im Moment proben wir wöchentlich für ein neues Projekt und müssen dafür neue Melodien und Texte üben. Letzte Woche hat uns die Probe lang ein Kamerateam begleitet. Das Team hat während der Probe still gefilmt und nebenbei ein paar Fotos geschossen. Mir ist aufgefallen, dass sich alle in Anwesenheit der Kameras total verändert haben. Die Mädchen legten wert darauf immer nur ihre Schokoladenseite in die Kamera zu halten und alle waren viel unruhiger als sonst. Jederzeit wollte man wissen, wo die Kameras sind und ob sie auf einen gerichtet sind. Viele haben sich künstlich verhalten, obwohl ja bekannt ist, dass die besten Aufnahmen wohl Momentaufnahmen sind. Frei von Schauspielerei oder Positionierung. Aber in „echten“ Momenten kann man ja hässlich aussehen.
Früher auf Geburtstagspartys war es „cool“, wenn man seine Hand vor das Gesicht gehalten hat, als die Eltern Fotos machen wollten. Die Fotos wären sonst ja peinlich. Und jetzt in den Zeiten von Facebook, Instagram und Co, muss man bei jedem Foto aufpassen. Jedes Foto kann im Internet landen, daher muss man vorher schauen, ob es auch schön ist. Oder besser gesagt, ob man selbst schön ist. Die anderen sind da eher unwichtig. Wenn man mit einem Foto unzufrieden ist, dann wird augenblicklich darauf bestanden, dass das Foto sofort und auf der Stelle gelöscht wird. Und wenn man mal nicht nachsieht, dann findet man einige Tage später auf Facebook unangenehme Fotos von sich. Oder sagen wir Fotos, die nicht unsere Vorzüge zeigen. Die halt einfach echt sind. Unbearbeitet. Unverfälscht. Jeder will sich irgendwo von seiner positiven Seite zeigen. Das verstehe ich. Ich selbst bin da nicht anders. Aber ich kenne so viele Leute, die Stunden damit verbringen ihre Bilder zu bearbeiten. Damit die Nase schmaler ist und die Lippen voller. Zufälligerweise sind dann auch die Augenringe gänzlich verschwunden. Aber ich frage mich, was das bringt. Diejenigen, die einen kennen, kennen einen doch auch in echt. Wissen, wie man aussieht. Deswegen erkennen diejenigen diese Schummelei doch auch sofort. Aber trotz alledem bearbeite ich Fotos auch gerne mit Filtern und suche für meine Fotos immer nach gutem Licht, damit die Augenringe wegschummelt werden. Denn wer kann der Chance widerstehen, sich nicht besser zu präsentieren, als er eigentlich ist?
Schlimmes mit Humor nehmen…
Wenn es Humor nicht gäbe, sehe unsere Welt wahrscheinlich deutlich grauer aus. Lachen ist wohl eines der schönsten Geräusche, die ein Mensch von sich gibt, ein Ausdruck puren Glücks. Doch über was darf man alles lachen?
Diese Frage habe ich mir die letzten Wochen gestellt. Immer wieder bin ich auf die Werbung von dem Film „Er ist wieder da“ gestoßen., Generell denke ich, dass man über vieles lachen darf, aber nicht über Gewalt. Sicherlich kennt ihr diese kleinen Videos, in denen irgendjemand unglücklich hinfällt, sich stößt oder einen Autounfall hat. „Upps die Pannenshow“ handelt fast ausschließlich von solchen „Pannen“.
Da die Situationen meistens einen ziemlich dämlichen Ursprung haben, werden sie im Internet veröffentlicht. Diese Videos dienen dann der allgemeinen Unterhaltung. Während viele darüber lachen könne, denke ich immer nur an den damit verbundenen Schmerz der Personen. Ich frage mich wie man über Schmerzen Anderer lachen kann. Vor knapp zwei Wochen war ich im Kino und habe „Fack ju Göhte 2“ gesehen. Nebenbei erwähnt ist er absolut empfehlenswert.
Davor kam üblicherweise ein langer Werbeblog, unter anderem eben auch für „Er ist wieder da.“
In dem Film geht es darum, wie es wäre, wenn Hitler plötzlich wieder auferstehen würde. Eine Komödie, in der gelacht werden soll. Aber kann man wirklich über jemanden lachen, der einen Krieg ausgelöst hat?
Ich denke nicht. Gerade nicht in der heutigen Zeit. Um ganz ehrlich zu sein, fand ich den Trailer wirklich witzig, trotzdem schaue ich mir den Film nicht an. Einfach, weil es sich irgendwie falsch anfühlt.